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Klassisk musik retter sig efter naturlov,
interview med operasanger Josipa Bainac på tysk

Klassisk musik retter sig efter naturlov,
interview med operasanger Josipa Bainac på tysk
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Klassische Musik richtet sich nach Naturprinzipien
von Feride Istogu Gillesberg

Neue Solidarität
Nr. 3, 20. Januar 2016

Am 11.-12. Dezember 2015 fand in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen ein Symposium statt zum Thema „Fortgeschrittene Einschätzung der Stimmfunktionen in Europa: Resonanz der menschlichen Stimme & Neurowissenschaft und Stimme“ („Advanced Voice Functions Assessement in Europe – Resonance of the human voice & Neuroscience and voice“). Es war das sechste Symposium dieser Art, das von der Europäischen Kooperation in Wissenschaft und Technologie (European Cooperation in Science and Technology, COST Action 2103) veranstaltet wurde. Ärzte, Künstler und Musiker aus verschiedenen Nationen waren vertreten. Das Programm war sehr kompakt. U.a. hielt dort Josipa Bainac einen Vortrag über die wissenschaftliche Stimmung, die ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Stimme ist. Ihre Rede beruhte auf zweijährigen Untersuchungen der Autorin. Ich hatte die Freude, Frau Bainac für die Neue Solidarität interviewen zu können.

Josipa Bainac
Neue Solidarität: Frau Josipa Bainac, ich hatte die Möglichkeit, Ihren spannenden Vortrag auf dem Symposium in Kopenhagen anzuhören. Wollen Sie sich kurz vorstellen?

Josipa Bainac: Vor ungefähr zwei Jahren habe ich meinen Abschluß an der Universität für Musik in Zagreb, Kroatien, als klassische Sängerin und Pädagogin gemacht. Seit 2014 studiere ich Lied und Oratorium im Masterstudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Seit meinen Studien in Kroatien habe ich mich intensiv für verschiedene Interpretationstechniken interessiert und mich viel mit Stimmeigenschaften und Gesangstechnik beschäftigt.

Neue Solidarität: Wie sind Sie darauf gekommen, mit der wissenschaftlichen Stimmung zu arbeiten?

Bainac: Als klassische Gesangsstudentin habe ich viele Konzerte gesungen, von Orchestern, Klavier, Cembalo oder Orgel begleitet. Nach jahrelangen Erfahrungen habe ich bemerkt, wie sich das subjektive Gefühl für die Stimme und die Gesangstechnik ändert, wenn ich mit verschiedenen Begleitinstrumenten oder Ensembles auftrete. Bald habe ich erfahren, welche Rolle die Stimmung und die Standardtonhöhe in der historische Musikpraxis hat, und durch Gespräche mit meinen Kollegen – Sänger und Sängerinnen – habe ich erfahren, daß sie manchmal bei der Interpretation unter verschiedenen Stimmschwierigkeiten leiden, z.B. wegen der zu hohen Standardtonhöhe -, wenn der Künstler lange Proben oder Auftritte singen muß.

Als mein Masterarbeitsthema habe ich deswegen geschrieben über „Die historische Entwicklung der Temperatursysteme und die Standardtonhöhenauswahl im Zusammenhang mit der Gesangstechnikentwicklung und Stimmgesundheit“. Am Anfang war ich leider in den Untersuchungsmöglichkeiten begrenzt. Das war aber nur der Anfang meiner Arbeit zu dieser Frage, die ich als eine Pilotstudie in Kopenhagen präsentiert habe.

Neue Solidarität: In Ihrem Vortrag wurde erwähnt, daß in Kroatien Aufnahmen gemacht wurden, um den Unterschied der verschiedenen Stimmungen zu demonstrieren. Warum findet so ein Prozeß in Kroatien statt, gibt es ein besonderes Interesse in diesem Feld?

Bainac: Ich habe mit dem Studium dieses Themas in Kroatien angefangen. Und während des Studiums war ich im Kontakt mit Wissenschaftlern und Persönlichkeiten, die die technischen Möglichkeiten haben, wissenschaftliche Untersuchungen zu machen. Leider gibt es in Kroatien nicht so viel Interesse zu diesem Thema, und deswegen war es kompliziert, meine Arbeit wirklich zu entwickeln, aber hier in Wien habe ich mehr Unterstützung.

Neue Solidarität: Das Schiller-Institut führt seit Jahrzehnten eine Kampagne für die wissenschaftliche Stimmung. Wie sehen Sie die Bedeutung der Verdi-Stimmung?

Bainac: Wenn man über die Stimmung spricht, muß man zwei wichtige musikalische Aspekte ins Auge fassen: die Standardtonhöhe („Kammerton“) und das Temperationssystem. Beide haben sich im Lauf der Zeit unabhängig voneinander entwickelt und oft gewechselt.

Man sagt oft, im Zusammenhang mit der historischen Interpretation, daß das Temperationssystem eine große Bedeutung für das Verständnis der harmonischen Struktur und anderen Musikkomponenten hat.

Leider vergessen wir oft die Bedeutung der Standardtonhöhe. Die Instrumente wurden im Laufe der Zeit für die neuen, oft höheren Standardtonhöhen umgebaut oder optimiert. Mit der Stimme ist es leider nicht so einfach, und bei der Interpretation von Repertoire, das für eine andere Standardtonhöhe komponiert war, kann dies zu Schwierigkeiten und in extremen Fällen zu Verletzungen führen. Die ästhetischen Fragen werden heute, aufgrund der Art, wie heute Musik konsumiert wird, übersehen.

Giuseppe Verdi war nicht nur Komponist, sondern auch Sänger – ein Bariton, der die Gesangstechnik gemeistert hat und mit diesem Wissen sehr sorgfältig die Musik für Sänger geschrieben hat. Es ist bekannt, daß er auch sehr genau und streng mit seinen Mitarbeitern – Librettisten usw. – gearbeitet hat.

Während den Überlegungen, was die universale Standardtonhöhe sein sollte, hat sich Verdi für die französische Standardtonhöhe (a’ = 435 Hz) eingesetzt. Er wurde aber kurz danach für die Standardtonhöhe a’ = 432 Hz gewonnen, wegen ihrer wissenschaftlicher Genauigkeit, wie in seinem Briefwechsel nachzulesen ist.

Nach vielen Besprechungen mit Wissenschaftlern und Mathematikern kam ich zu der Meinung, daß es wirklich keine wissenschaftlichen Beweise gibt, die bestätigen könnten, daß eine Frequenz gegenüber einer anderen Vorteile hat.

Ich habe dann mit renommierten Sängern und ihrem Repertoire experimentiert. Und aufgrund von objektiven und subjektiven Bewertungen habe ich dann festgestellt, daß die Standardtonhöhe von 432 Hz, wenn sie z.B. bei der Interpretation von Verdis und Mozarts Opernarien verwendet wird, viele Vorteile vor den heutigen 443 Hz hat.1 Für ausgezeichnete Sänger, die keine technischen Probleme haben, sind auch immer die Passaggionoten zwischen den Stimmregistern problematisch. Wenn man den Kammerton von 432 Hz nimmt, werden die Vokale runder und natürlicher gesungen – coperto. Das verschiebt die Formanten tiefer und macht den Weg zu den Passaggionoten günstiger, denn die Stimmqualität des Passaggiobereichs zwischen den Stimmregistern kommt in dieser Stimmung früher. Das ist natürlich auch mit dem Text verbunden, der so vertont ist, daß die Bedeutung durch Registerwechsel unterstrichen ist.

Bei 443 Hz kommt die Passaggio in der Stimme abrupt, weil die Sänger oft in dieser Stimmung hellere Vokale – auch in der Passaggiotransition – singen. Natürlich versuchen die Sänger immer, den Formantenbereich mit den Obertönen zu verbinden, aber in der tieferen Stimmung macht der Körper das unbewußt und ganz natürlich durch die Rundung des Vokaltrakts. Die Sänger bewerten diese Standardtonhöhe von 432 Hz als die, die ihnen mehr Stimmfreiheit, Flexibilität, schönere Farbe, Stimmleichtigkeit anbietet. Bei 443 Hz macht der Sänger das alles bewußt – mehr oder weniger erfolgreich.

Neue Solidarität: Unsere Organisation legt großen Wert auf die klassische Kultur. Wie sehen Sie die Rolle der klassischen Musik, welche Bedeutung hat sie für die Entwicklung einer Gesellschaft?

Bainac: Musik ist immer ein bedeutender Aspekt jeder Zivilisation, ob man über Ritualmusik oder über unsere raffinierte und durch Jahrhunderte entwickelte europäische Musik spricht. Das sind alles im einfachsten Sinne Kombinationen von Frequenzen, die nach der Kenntnis des Komponisten so arrangiert sind, daß sie eine gewisse Wirkung auf den Zuhörer haben. Meiner Meinung nach werden diese Grundprinzipien der europäischen Musik heute von den Interpreten und auch von den Komponisten ignoriert. Man kann auch oft die sinnlose Phrase hören, daß im Bereich der klassischen Musik schon alles gesagt sei, alles schon komponiert sei, und deswegen muß der Zuhörer heute verschiedenste intellektuelle Durchfälle von den Komponisten dulden. Das kommt leider seit dem 20. Jahrhundert aus dem Bedürfnis, alles zu quantifizieren – am besten gleich auf Profit umrechnen. Und die Komponisten und Interpreten haben sich nur auf den leichtgewonnenen Affekt des Publikums und persönlichen Erfolg ausgerichtet.

Die Tatsache, daß Musik ein Naturphänomen ist, das schon lange vor der Menschlichkeit existiert hat, muß man wieder entdecken. Dann sehen wir, daß diese Quelle unerschöpflich ist. Deswegen würde ich klassische Musik nicht nur als Musik aus einer gewissen Periode bezeichnen, sondern als Musik, die sich nach Naturprinzipien richtet, die eine objektive und positive Wirkung auf uns hat.

Neue Solidarität: Haben Sie noch eine paar abschließende Gedanken für unsere Leser?

Bainac: Wie immer haben auch wir in unserer Zeit gewisse kulturelle Probleme und Fragen. Die klassische Musik ist heute ganz populär und für die Massen zugänglich geworden. Das könnte auf den ersten Blick auf die Welt der klassischen Musik eine gute Wirkung haben. Leider hat es sich aber gezeigt, daß das breite Publikum sich nur auf die oberflächlichen Aspekte der Musik orientiert. Und die natürliche Wahl der Künstlern – Interpreten oder Komponisten – ist damit verschwunden. Deswegen liegt heute bei uns, wie wir Musik und alle anderen Künste unterstützen; daß wir wirklich nur das hinterlassen, was wir für die nächsten Generationen wertvoll finden.

Neue Solidarität: Vielen Dank für das Interview!

Anmerkung

1. International sind z.T. noch höhere Stimmungen üblich, aber bei den Untersuchungen in Wien wurden akustisch nur 432 Hz und 443 Hz detailliert analysiert.

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